Wer hätte das ahnen können?
Nun ja – vermutlich jeder, der schon einmal länger als zwei Minuten Bundesliga verfolgt hat. Aber beim FC Augsburg ist man offenbar Anhänger einer besonderen Tradition: Überraschungen dort zu erleben, wo gar keine sein sollten. Ein bisschen wie beim Öffnen eines Überraschungseis, in dem zum zwanzigsten Mal hintereinander dasselbe Plastikauto steckt – und trotzdem ruft einer begeistert: „Oh! Ein Auto!“
Sandro Wagner wollte offensiven Fußball spielen lassen. Wirklich! Total überraschend für einen Trainer, der gefühlt seit seinem ersten Trainerinterview einen „Wir-gehen-nach-vorne“-Sticker auf der Stirn trägt.Doch offenbar hat beim Einstellungsgespräch jemand die entscheidende Frage vergessen:
„Sagen Sie mal, Herr Wagner… was bedeutet für Sie eigentlich offensiv?“Vielleicht dachte der FCA, Wagner meine damit, dass die Mannschaft besonders offensiv grätscht. Oder offensiv gegen die eigene Vereinsphilosophie arbeitet. Oder offensiv langweilige 0:0 verwaltet. Wer weiß das schon?Und Wagner? Der merkte nach ein paar Spieltagen, dass der Kader fußballerisch vielleicht doch eher in die Kategorie „grundsolide Mittelklasse“ fällt. Eben die Sorte Mannschaft, die in FIFA 24 auf „Standard – Mittelstark“ vorsortiert ist.Man möchte fast meinen: Hat er sich vor der Saison den Kader angesehen? Oder hat er aus Versehen die Mannschaft vom FCA mit dem Kader des FC Bayern verwechselt – wegen des FCB-FCA-Alphabetkuddelmuddels?
Es gab da dieses eine Spiel gegen den FC Bayern, in dem angeblich alles super war. Man sei „auf Augenhöhe“ gewesen.
Ja klar. So wie ich „auf Augenhöhe“ mit Arnold Schwarzenegger bin – schließlich haben wir beide zwei Arme, zwei Beine und einen Kopf.Vielleicht war der FCA auch wirklich kurz so gut wie der FCB.
Ein magischer Moment.
Ein kosmisches Fußballereignis.
Kurz, bevor die Realität wieder zugeschlagen hat wie ein VAR-Monitorschlag ins Gesicht.Und ab da ging’s bergab.
Tja. In Deutschland gibt es eine klare Hierarchie der Schuldigen:
Beim FC Augsburg scheint diese Regel besonders streng befolgt zu werden.
Der Trainer ist das Wegwerfprodukt im System.
Der Vorstand hingegen glänzt mit einer beneidenswerten Fähigkeit: Selbst wenn das Schiff sinkt, sitzen sie noch auf der Brücke und fragen sich, warum der Kapitän denn plötzlich von Bord gesprungen ist.
Der FCA wirkte am Ende überrascht, dass Wagner nicht der Messias war.
Wagner wirkte überrascht, dass sein Kader nicht aus 22 Mini-Mbappés besteht.
Und die Fans sind überrascht, dass überhaupt noch jemand überrascht ist.Vielleicht hat Augsburg gedacht, man könne Wagner holen wie ein neues Smartphone:
Blöd nur, wenn man merkt, dass das WLAN (sprich: der Kader) gar nicht stark genug ist, um die tollen neuen Funktionen zu unterstützen.
Dann hat man nämlich plötzlich ein High-End-Gerät, das auf Steinzeitmodus läuft.
Einmal mehr zeigt sich die große Fußballweisheit:
Erfolg hat viele Väter – Misserfolg hat einen Trainer. Beim FCA bleibt somit alles wie immer.
Die Verantwortlichen putzen sich zufrieden die Hände ab: „Also wir können ja nichts dafür.“
Der neue Trainer darf demnächst erklären, wie wahnsinnig gut die Gespräche waren.
Und am Ende sind alle wieder überrascht, wenn sich nichts ändert.Augsburg bleibt eben Augsburg:
Die graue Maus, die ab und zu behauptet, eigentlich ein Panther zu sein – um kurz darauf verschreckt im eigenen Vereinsgebüsch zu verschwinden.
Foto: FAZ